CORVUS 1-04
Andererseits können wir unsere Reiterei nicht einfach in Reserve lassen, denn diese verdammten Wölfe machen so einen Radau, dass unsere unerfahrene Infanterie sich in die Hose machen wird, wenn wir sie ohne Unterstützung da rausschicken." Er deutete auf den Hügel. "Wenn wir rechts einen voll besetzten Flügel haben und den Rest der Kavallerie gemischt mit einer Kohorte auf die linke Seite schicken, zwingen wir sie dazu, ihre Wölfe zu teilen. Die Chancen sind natürlich letztendlich gleich, aber mit tausend Wölfe werden sie keine tollkühnen Angriffe wagen, wenn ihnen auf der einen Flanke eine gemischte Truppe und auf der anderen ein verdammt steiler Abhang gegenüberstehen."
"Und wenn sie sie nicht aufteilen?"
"Dann attackieren wir ihre Flanke, und sie unsere. Was glaubt Ihr, wer zuerst einbricht, unser Fußvolk oder ihres?"
Saturnius zuckte als Zeichen der Zustimmung mit den Schultern. Es stand natürlich außer Zweifel, wessen Infanterie der gegnerischen Kavallerie standhalten und wessen Infanterie weglaufen würde. "Nun gut. Damit wären die Wölfe aus dem Spiel, für beide Seiten ohne Verluste höchstwahrscheinlich, und dann soll die Infanterie das Ganze ausfechten. Ich verstehe, was Ihr meint. Wir teilen die Reiterei auf. Aber die Ballisten sollten in der Mitte stehen. Sie können nicht bergab über die Reiter hinweg feuern. Die Onager können aber dort oben bleiben, wenn Ihr wollt. Und ich habe noch einen Vorschlag."
"Genauso gut könnten wir die Hälfte der Onager hinter den linken Flügel stellen", sagte Corvus. "Es ist wirklich egal, wo sie stehen, da sie von jeder Seite die Nachhut unter Beschuss nehmen können. Aber was habt Ihr noch im Sinn?"
"Die Baleraner. Wir hatten nicht genug Leute, um die neunte Kohorte aufzufüllen, also habe ich einige Hilfstruppen aus der Legio XXV verpflichtet, nachdem ihr Vertrag dort ausgelaufen war. Sie sind jetzt als richtige Infanteristen ausgebildet, aber sie haben immer noch ihre Steinschleudern."
"Ich erinnere mich. Ich war nicht gerade begeistert von ihnen. Wie viele habt ihr vereidigt?"
"Hmmm, etwa zwei Hundertschaften."
"Zweihundert Baleraner?" Corvus hätte beinahe seine Zunge verschluckt. "Verdammt, Mann, ich dachte, Ihr sprecht von zehn oder zwölf! 'Ein paar gute Männer mit Erfahrung', habt Ihr gesagt. Ich dachte, na ja, ein paar Provinzler können wir schon verkraften, wenn sie nur Veteranen sind."
"Sie haben jetzt die gleiche Ausbildung wie jeder andere Legionär - und außerdem wesentlich mehr Kampferfahrung. Meine Sorge ist aber Folgendes: Wenn die Kavallerie der Goblins nicht zu uns kommt, könnte einer ihrer Hauptleute auf die glorreiche Idee kommen, unsere Kavallerie herauszulocken, denn sie sind in der Überzahl. Dazu könnten sie ihre Artillerie einsetzen, vielleicht einen oder zwei Schamanen, oder auch ein paar dieser jämmerlichen Kerle, die bei denen als Bogenschützen durchgehen. Wir sollten je zwanzig oder dreißig Baleraner auf die Flügel verteilen. Das sollte reichen, um sie davon abzuhalten, unsere Kavallerie zu schikanieren und damit irgendeinen hitzköpfigen Dekurio - oder Tribun - zu einer unüberlegten Handlung zu verleiten, durch die sein ganzer Flügel abgeschnitten und getötet werden könnte. Und wo wir gerade von unüberlegten Handlungen sprechen: Ich werde die Ritter anweisen, auf keinerlei Herausforderungen einzugehen. Egal ob es nun gut oder schlecht ist, dass wir versuchen, die Kavallerie aus der Sache herauszuhalten, in jedem Fall können Einzelkämpfe nur Ärger bringen."
Corvus nickte. Glorreiche Taten und heldenhafte Alleingänge waren das Letzte, was sie gegen den im Prinzip schwächeren, aber zahlenmäßig überlegenen Feind brauchen würden. Es gab Situationen, in denen taktische Brillanz und Heldentaten auf dem Schlachtfeld durchaus gefragt waren, aber die morgige Schlacht - vorausgesetzt, der Feind rührte sich aus seinem Lager - sollte eine relativ unkomplizierte Angelegenheit sein. Die gegnerische Kavallerie nicht zum Zuge kommen lassen, ihr leicht gepanzertes Fußvolk gegen die schwere Infanterie in der Mitte anrennen lassen und sie dann abschlachten, bis sie einknicken und versuchen, sich zurückzuziehen.
Erst dann würde er die Reiter loslassen, und sie würden die Wolfsreiter beiseite fegen, wenn sie versuchten, den feindlichen Rückzug abzuschirmen, und sie würden töten, töten und nochmals töten, bis in die Nacht hinein. Die Infanterie mochte zwar noch grün sein, aber unter den Zenturios gab es viele Veteranen mit jahrzehntelanger Erfahrung in verschiedenen Dienstgraden. Gegen die Berg-Orks von Zoth Ommog hätte er sie nur ungern auf die Probe gestellt, aber gegen Goblins würden sie bestehen.
Seine einzige Frage war, ob der Goblinkommandant seine Truppen ausreichend unter Kontrolle hatte, um einen geordneten Rückzug einzuleiten, oder ob die Häuptlinge einfach fliehen und ihre verzweifelten Truppen sich selbst überlassen würden. Höchstwahrscheinlich letzteres, schätzte er, zumal es sich um zwei rivalisierende Stämme handelte.
Etwas kam ihm in den Sinn: "Ich denke gerade, wenn wir wollen, dass ihre Kavallerie sich nicht rührt, sollten wir die Ballistarii anweisen, sie in Ruhe zu lassen."
Saturnius pflichtete ihm bei. "Ich werde dafür sorgen, dass Cassabus das auch versteht und seine Männer entsprechend instruiert. Wenn Ihr mich jetzt entschuldigen würdet, Corvus, ich werde jetzt mit Faberus und den Kundschaftern überlegen, wie wir die Gobbos am besten dazu bringen, morgen wie geplant bei unserer kleinen Veranstaltung mitzumachen. Wollt Ihr Euren Jungen mitnehmen?"
Das war einfühlsam von seinem alten Freund. "Ja, aber lasst Euch nicht zu viel Zeit damit. Es ist besser, wenn wir vor Sonnenuntergang wieder im Lager sind."
Der Legat nickte, saß auf und ritt zur anderen Seite des Feldes, wo die andern sich im Kreis niedergehockt hatten, und wies Marcus an, zurück zu Corvus zu reiten.
Corvus nickte seinem Sohn zu. Marcus sprang vom Pferd und sah ihn fragend an. Corvus lächelte und schlug ihm so fest auf die stahlgepanzerte Schulter, dass der Junge fast zur Seite taumelte. Wie groß sein Sohn inzwischen war, und welche Freude, ihn einer Kleidung zu sehen, die sich für einen Sohn des Hauses Valerius ziemte!
"Fällt dir zu morgen etwas ein, Tribun?"
"Allerdings, recht viel sogar." Endlich legte sein Sohn die Maske des Nachwuchsoffiziers ab und schüttelte wehmütig den Kopf. "Das meiste hat allerdings wenig mit dem zu tun, was Ihr mit Marcus Saturnius besprochen habt. Mir ist aber aufgefallen, dass der von Euch gewählte Ansatz dem von Flaminius gegen die trinatinischen Orks ziemlich ähnelt. Ich hoffe, für uns wird es genauso gut laufen."
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