Valens folgte dem Cerulengus, der in vollem bischöflichen Gewand durch den Palast hastete. Priester, Bischöfe und sogar Kirchenfürsten beeilten sich, ihnen aus dem Weg zu gehen. Valens selbst wurde von nicht weniger als einundzwanzig sakralen Gardisten begleitet, ein jeder festlich gekleidet in strahlend weiß lackierter Rüstung und rotem Umhang. Hinter ihnen ertönten überraschte, besorgte Rufe, doch der betagte Cerulengus verlangsamte seine Schritte für niemanden, egal welchen Ranges.
Im Vorbeigehen hörte Valens das Geflüster.
"Was geht hier vor?", raunte ein grauhaariger Erzbischof einem jamitischen Priester zu. "Haben sie jemanden verhaftet?"
Der kleinwüchsige Priester schüttelte den Kopf, die Augen vor Erstaunen geweitet. Schwer zu sagen, ob die Verblüffung des Priesters von Unwissenheit herrührte, oder vom Anblick der bewaffneten Männer, die grimmig entschlossen vorbeimarschierten, oder einfach von der Tatsache, dass der Erzbischof von Lanobus sich herabgelassen hatte, das Wort an ihn zu richten.
Sie näherten sich dem Schlafgemach Seiner Heiligkeit. Beide Türen standen offen, daher trat der Cerulengus ein, ohne anzuklopfen, gefolgt von Valens. Die übrigen Mitglieder seines Gefolges nahmen vor den Türen Stellung, für den Fall, dass jemand diese heiligste aller Aufgaben stören wollte.
Der Heilige Vater lag auf seinem Bett, noch im Nachthemd, die prächtigen Samtdecken bis zur Brust hochgezogen. Er wurde von zwei Ospedalern betreut. Der ältere der beiden bemerkte ihr Eindringen zuerst und ging schnell auf ein Knie herunter. Sein Begleiter tat es ihm nach. Vier Kirchenfürsten wachten über die Ospedaler, einer an jeder Ecke des Bettes. Valens kannte sie - Baccius Antonius, Paulus Masella, Ildebrando Ortognan und Mamercus Severus Furius. Der Cerulengus wandte seine Aufmerksamkeit dem Senior Medicus zu.
"Ihr habt ihn abgehört?"
"Ja, Eminenz. Sein Herz steht still."
"Habt Ihr es mit dem Spiegel versucht?"
"Ja, Eminenz. Sein Atem steht ebenfalls still."
"Ihr habt keine Anzeichen für etwas Ungewöhnliches bemerkt?"
"Nein, Eminenz. Sein Fleisch ist unberührt. Sein Geruch ist rein." Der Cerulengus nickte. Da er keine weitere Frage stellte, verließen die beiden Ospedaler mit ernster Miene das Schlafgemach und gesellten sich zu den Soldaten und der wachsenden Schar von Geistlichen, die draußen vor der zweiten Eingangstür warteten.
Als Zeuge im Auftrag des Heiligen Kollegiums beobachtete Valens, wie der Cerulengus sich der reglosen Gestalt Seiner Heiligkeit näherte, sich über ihn beugte und etwas aus dem dunkelblauen Lederbeutel zog, der an der Schärpe um seine Taille hing. Es war ein kleiner Eisenhammer mit den Insignien des Hauses Flavius: ein Bär und ein zähnefletschender Wolf. Der Cerulengus hielt ihn über die Stirn des Sanctiffs und klopfte damit sanft auf die weiße Haut, die sich wie Papyrus über den Schädel des alten Mannes spannte.
"Quintus Flavius Ahenobarbus", flüsterte er leise. Im Raum herrschte Totenstille. Keiner bewegte sich. Niemand atmete, am allerwenigsten Seine Geweihte Heiligkeit Barmherzigkeit IV. Der Cerulengus klopfte erneut mit dem Hammer. "Quintus Flavius Ahenobarbus", wiederholte er, dieses Mal etwas lauter. Wieder war alles still. Und wieder antwortete der Sanctiff nicht.
Beim dritten Mal streifte der Cerulengus mit dem Eisen kaum noch die Stirn des Sanctiffs. "Quintus Flavius Ahenobarbus", rief er gebieterisch. Doch auch darauf erhielt er keine Antwort. Der betagte Celestiner steckte den Hammer zurück in den Beutel, legte die rechte Hand auf die Brust des Sanctiffs und ergriff mit der linken Hand dessen rechte.
"In paradisum deducant te Angeli. In tuo adventu suscipiant te Martyres, et perducant te in civitatem sanctam. Chorus Angelorum te suscipiat, et aeternam habeas requiem."
Valens knirschte mit den Zähnen, als der Cerulengus den heiligen Ring von der leblosen Hand nahm und sich ihm und Masella zuwandte. Hinter den Augen spürte er einen brennenden Druck, aber er war entschlossen, nicht um den Heiligen Vater zu weinen, noch nicht.
Er wandte den Blick ab. Außerhalb der Gemächer des Sanctiffs weinten einige Soldaten stumm, Tränen liefen ihnen übers Gesicht und ergossen sich auf ihre weißen Brustharnische. Bei anderen waren die Gesichter versteinert, sie bissen die Zähne zusammen und blickten in die Ferne, als der Cerulengus sich räusperte und die rituellen Worte sprach, die vor ihm schon dreiundvierzig seiner Vorgänger gesprochen hatten.
"Der Sanctiff ist tot! Mögen nun die Pönitentiarien einberufen werden! Möge das Heilige Kollegium zusammenkommen! Lasst es die Welt wissen! Der Allerheiligste und Geweihte Vater ist in die Herrlichkeit eingegangen, welche sein sicherer und wohlverdienter Lohn ist."
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